Geile Zeit.

Das Lied wurde unter anderem gestern auf der Abschlußfeier meines Sohnes von der Schulband gespielt.
Es rührt mich noch heute morgen, einige Stunden später, zu Tränen, wenn ich mich an das Bild erinnere, das unsere "Kinder" dort abgaben: freiwillig gekleidet in feinstem Zwirn standen sie auf der Bühne und nahmen dort ihre Abschlußzeugnisse der Mittleren Reife in Empfang.
Dabei war es doch erst gestern, daß wir uns von den Kindergärtnerinnen verabschiedeten und die den Kleinen alles Gute für den Schulweg wünschten.
Schon damals rannten mir die Tränen über das Gesicht - teils aus Freude, weil einer der größten Schritte über die Brücke vom Kleinkind zum Schulkind gegangen wurde, und weil es ein Abschied war, ein Abschied von einem Stück Kindheit, das so nie wieder kommen würde. Aber auch aus Angst vor der Ungewissheit, was aus meinem Kind wird - wie wird er in der Schule mitkommen?
Diese Angst wurde mir aber schnell genommen, denn von Beginn an kam mein Sohn gut mit, ich mußte nie mit ihm lernen (er selbst sagte gestern noch, daß es nur Einzelfälle gegeben hätte, in denen er meine Hilfe brauchte), es kamen nie Beschwerden, und er war immer ein bißchen der Lehrerliebling, ohne sich dadurch jedoch zum Außenseiter zu machen oder zu werden.
Hart war für ihn der Wechsel im 2. Schulhalbjahr der 3. Klasse in die Schweiz - der Umzug dorthin machte ihm zu schaffen und der fremde, oft schwer verständliche Dialekt auch (bis zum ich glaube 4. Schuljahr wurde dort noch in Dialekt unterrichtet, erst dann in Hochdeutsch). Aber auch diese Probleme ließ er sich nicht anmerken. Nachdem er dort die 6. Klasse mit einem sehr gutem Zeugnis beendet hat (dort gehen die "Grundschulen" bis zur 6. Klasse - ein sehr empfehlenswertes System!), zogen wir wieder nach Deutschland, wo er jedoch aufgrund dessen, daß in der Schweiz kein Englisch unterrichtet wurde, weil dort ja Französisch die erste Fremdsprache ist, von keinem Gymnasium angenommen wurde, sondern "nur" von einer Realschule und selbst dort noch das 6. Schuljahr aufgrund des Rückstandes in Englisch wiederholen mußte.
Im Nachhinein bin ich - und ich glaube, auch er - darüber aber froh, denn er hat dort wirklich tolle Freunde gefunden und ich bin sicher, daß das mitentscheidend für das gute Abschlußzeugnis war, denn wo Freunde sind, geht man gern hin.
Somit bin ich also nicht nur den Lehrern dankbar, die meinem Sohn ein verdammt gutes Stück Wissen beigebracht und durch ihr Engagement oft über die normalen Lehrertätigkeiten hinaus ihm einen guten Weg bis zur Mittleren Reife und somit zum noch zu gehenden Weg zum Abitur bereitet haben, sondern auch seinen Freunden, die ihn damals gut in die Klassengemeinschaft aufgenommen haben.
Gestern abend standen sie da also, und es war ein ergreifender Moment - in Sekundenschnelle zog da ein 17jähriges Leben wie ein Film vor meinem inneren Auge vorbei...
Mein Sohn, Du hattest schon unangenehme und wohl auch schreckliche Zeiten erlebt, aber es ist schön zu sehen und gut zu wissen, daß Dich das zwar alles geprägt hat und für immer unauslöschlich zu Deinem Leben gehören wird, es Dich aber nicht auf irgendeine schiefe Bahn gebracht hat.
Ich bin stolz auf Dich!
Und nicht nur auf Deine bisherigen schulischen Leistungen!

Als ich gestern Abend Deine (jetzt ehemalige) Direktorin begrüßte und ihr dafür dankte, daß sie sich damals so selbstverständlich dazu entschloß, Dich an ihrer Schule aufzunehmen, sagte sie:
"Sie haben einen tollen Sohn!"

Und ich sagte:"Ich weiß."
Und wir hatten beide Tränen in den Augen.

Es tat verdammt gut, es von jemand anderem zu hören.
Und ich bin mir ganz sicher, daß das noch viele Menschen sagen werden. Und die, die es nicht sagen, werden es sich denken. ;-)

(Ich wollte eigentlich einen viel schöneren Text schreiben, aber...da mußte ich beim Tippen ständig heulen, also habe ich die Emotionen ein bißchen entschärft. DIe Stimmung, die gestern vorherrschte, läßt sich eh nicht in Worte fassen, das muß man miterlebt haben. Würde mir hier ja eh keiner glauben, daß Lehrer schluchzend ihre Abschiedsreden halten...*g*)
twoblog - 2005-06-25 22:47

Wirklicheinwenigmitschluchzzzz.

Mmh, wenn Mütter stolz auf Ihre Söhne sind ;-).

Budenzauberin - 2005-06-25 22:53

Das war Ihre Mutter auf Sie doch sicher auch, odrrr?
twoblog - 2005-06-25 22:59

Na klaro. Und wie. Und umgekehrt war ich auch stolz auf meine Mama (starb im August - war 80) und ihr habe ich mein Leben zu verdanken. Schluzzbeidengedanken.
Budenzauberin - 2005-06-25 23:01

Haben Sie es ihr jemals gesagt, daß Sie stolz auf sie sind/waren?
Oder ist das etwas, von dem man meint es nicht sagen zu brauchen, weil es der andere doch weiß wissen und spüren müßte?
twoblog - 2005-06-25 23:04

Aber ja habe ich ihr oft gesagt, dass ich stolz auf sie bin. Und ich war ja drei Monate den ganzen Tag bei ihr im Hospiz, wo sie die schreckliche Krankheit mit Würde trug.

Da war ich auch so manchen Moment verdammt stolz auf sie, auf uns und auch ein wenig auf mich.

Wir hatten immer eine gute Zeit. Bis zum Schluss. Da wurde es sehr, sehr hart, aber immer liebevoll. Und mit grosser Würde.
Sie war ein ganz grosser Mensch. Nicht nur tolle Mutter.
Budenzauberin - 2005-06-25 23:12

Dann habe ich noch Hoffnung, daß mein Sohn das auch einmal zu mir sagen wird.
Bitte noch bevor ich auf dem Sterbebett liege.
Das ist OK, mit dem stolz sein auf sich selbst, finde ich.
Ich bin's auch. ;-)
twoblog - 2005-06-25 23:16

Eben gefunden:

Lieber im Stehen sterben als auf den Knien überleben.

Jacques Santer (*1937), luxemburg. Politiker, 1984-95 Min.-Präs., 1995-99 Präs. EU-Kommission | Zitat-Nr.: 9349
aiiiia - 2005-06-25 23:26

mag sein, dass es an der gegenwärtigen weinseligkeit liegt, mag sein, dass es einfach so ist, aber das sind schöne worte in diesem beitrag.
und ich wünsche mir, dass ich eines tages einen sehr ähnlichen beitrag wohin auch immer schreiben werde. einen, den in seiner bedeutung vielleicht niemand zur gänze nachvollziehen kann, wo man aber doch merkt, dass es ein ganz wichtiger ist.
gratulation! sowohl ihnen als auch dem herrn sohnemann!

Budenzauberin - 2005-06-28 07:56

Danke!
Dieser eine Gedanke ging mir da auch durch den Kopf: daß die da unten auf der Bühne gar nicht wissen (können), welches Bedeutungsausmaß dieser Schritt nun hat.
Schon so groß und doch noch immer unsere "Kleinen".
tinG - 2005-06-26 13:30

Ich bin auch immer nah am Wasser gebaut, wenn es um solche Ereignisse geht. Ich kann Ihnen gut mitfühlen, wenngleich meine Kinder noch nicht einmal den Schritt mit der Einschulung hinter sich gebracht haben. Ich seh mich jetzt schon heulen...

Budenzauberin - 2005-06-28 07:57

Nehmen Sie am letzten Kindergartentag reichlich Papiertaschentücher mit!
C. Araxe - 2005-06-27 08:41

Ich kann mich da nur anschließen, ein wirklich auf die Tränendüsen drückender Beitrag. Meinen Glückwunch an Ihren Sohn und an Sie!

.... hach jetzt steht ja erst einmal die Einschulung vom kleinen Monster bevor, da mag ich gar nicht daran denken, wie es ist, wenn diese Zeit zu Ende ist.

Budenzauberin - 2005-06-28 07:59

Danke auch Ihnen!
Genießen, sage ich da nur - alles! Und zwar beide!
Mit ein Grund, warum ich das Schweizer Schulsystem, in dem die "Grundschule" wie sie hier bekannt ist, bis einschließlich 6. Schuljahr dauert, so gutheiße. Da fällt der Schritt vom "Kind" zum "Teenager" nicht mit einem Schulwechsel zusammen.
Die echte Elea - 2005-09-25 13:04

Doch, doch!

>>Würde mir hier ja eh keiner glauben, daß Lehrer schluchzend ihre Abschiedsreden halten...*g*)<<

Genau aus diesem Grunde habe ich im Juli keine Abschiedsrede gehalten! Ich lief die letzten 14 Tage eh schon nur noch verheult durch die Schule -- und am letzten Schultag, beim letzten Verlassen der Klasse, fielen mir die "coolen" Kinder eins nach dem anderen schluchzend in die Arme ... ja, auch die Jungs! :)

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