Donnerstag, 9. Februar 2006

Another Day In Paradise.

Meine große Tochter, die im Sommer 14 Jahre alt wird, möchte ihren Vater kennenlernen.

Rrrrumms.
Mit einem Mal sind sie da, die Erinnerungen an längst verarbeitet geglaubte Gefühle & Geschehnisse. Und damit sind keine schönen gemeint.
Obwohl - das stimmt so eigentlich nicht. Denn - wie ich bereits vor gut einem halben Jahr mal über u.a. diesen Teil meines Lebens schrieb - ich habe diesem Mann verziehen, in mir drin, um eine gereinigte Basis für mein Leben nach dieser Beziehung, nach all dem, was passiert ist, zu haben.
Aber vergessen habe ich nichts.
Es ist natürlich nicht immer alles präsent, und auch, wenn danach noch 2,3 Beziehungen folgten, die mir bestätigten, daß Männer ja nur Schweine sind (jaja, OK, natürlich lag das Scheitern auch immer ein winzigklitzekleines Bißchen an mir selbst *g*), so hat Herr Budenzauberer als bisher einziger mir dabei geholfen, das zu widerlegen und einiges zu verarbeiten (Danke!), obwohl er nicht selten noch unter verschiedenen Nachwirkungen zu leiden hatte.
J.'s Vater war ist (warum ich mir da so sicher bin, folgt noch) Alkoholiker, hochgradiger.
Selbst nach mehr als 12 Jahren, die seit der Trennung vergangen sind, gucke ich noch schief (mal offensichtlich, mal nur innerlich), wenn Herr B. sich mal (was eh schon selten genug vorkommt) ein Feierabend-Bierchen gönnt.
5 Jahre mit einem Alkoholiker haben sensibilisiert. Ich bin mir sicher, einen Alkoholiker (in welche Kategorie auch immer er reingehört) auf 10 Meter Entfernung zu erkennen (Herr B. ist natürlich keiner, aber die Ängste vor der durch Alkohol bewirkten Veränderung sitzen nicht tief, sondern verdammt dicht unter der Haut).

5 Jahre mit einem Alkoholiker waren Horror, aber sie haben mich auch zu dem gemacht, was und wer ich heute bin, haben mich geprägt in eine - wie ich meine - positive Richtung.
Nicht, daß ich diesem Mann und Vater meiner Tochter dankbar dafür bin, beileibe nicht.
Den einzigen Dank, den ich ihm entgegenbringen kann, ist der für diese wunderbare Tochter.
Und dieses wunderbare Kind möchte nun diesen Mann, mit dem sie ihre ersten anderthalb Lebensjahre verbacht hat, kennenlernen.
Den Mann, der stets sein ganzes Geld versoffen hat, statt Heizungsöl zu kaufen, so daß es im ersten Winter, als die Kleine kein halbes Jahr alt war, so kalt in der Hütte war, daß ich mir die Hände über dem Toaster angewärmt habe, bevor ich sie wickelte, und sie mit Mützchen im Bett schlafen mußte.
Den Mann, der mir viel zu wenig Haushaltsgeld gab und ich wußte, daß er es wieder als Anlaß nehmen würde, sich volllaufen zu lassen, wenn er erfährt, daß ebendieses Haushaltsgeld schon wieder aufgebraucht ist. Also tat ich so, als hätte ich noch Geld und klaute (!) im Lebensmittelmarkt die teuren Sachen wie das Fleisch für's Wochenende, auf das der Herr ja bestand, und die Spezialnahrung für die Kleine. Das ist mir noch nach 12 Jahren peinlich.
(Ich bin jetzt soweit, daß ich da mal hinfahre, mich nachträglich entschuldige -soweit das möglich ist- und den geschätzten Wert der geklauten Ware zurückgebe.)

Natürlich hat er sich trotz sonntäglichen Schweinebraten zugedröhnt.
Und anschließend mich.

Es gehörte natürlich zu seiner Taktik, mit mir in ein 30 Kilometer von meinen Eltern entferntes Bauernhaus zu ziehen, völlig entlegen zwischen zwei Dörfern, ohne Auto. Kindergarten und Einkaufs(klau)möglichkeiten in jede Richtung 5 Kilometer entfernt, alles mit Kinderwagen und Fahrrad zu erledigen. Das alte Wählscheibentelefon konnte man damals ja abschließen, was er auch tat.
Wenn er nicht besoffen war, konnte er dermaßen gut und überzeugend Leute zutexten, daß er ihnen den Himmel für Rot und Wasser für trocken verkaufen konnte, und das war mein Verderben. Denn alles, was ich in meiner Not ob meiner Situation meinen Eltern, Freunden und Nachbarn erzählte (Hilfeschreie!), widerlegte oder verharmloste er bei nächstbester Gelegenheit.

Doch, unsere Tochter war "geplant" und gewollt, auch von ihm.
Wenn andere Leute anwesend waren, war er auch ein wunderbarer, liebevoller Vater. Familie Sonnenschein.
Aber wehe, wir waren allein...
Nein, seiner Tochter hat er nichts angetan. Im wahrsten Sinne des Wortes. Doch, es gibt Fotos, auf denen beide drauf sind. Aber eben, man post ja für's Familienalbum.
In dem der Tochter befinden sich die Fotos auch alle, sie "kennt" ihren Vater also. Erinnern kann sie sich natürlich an nichts mehr. Als sie anderthalb war, zog ich aus. Während er auf der Arbeit war. Hatte alles tagelang gut vorbereitet (ich bin noch heute ein Organisationstalent *g*), und dann ging alles ganz schnell. Wie ich schon mal erzählte, merkte ich die Verwandlung in mir, als ich die letzten Meter vom Hof fuhr.
Es mag mich niemand nach dem "Warum" fragen - warum ich so lange mit diesem Mann zusammengeblieben bin - ich kann es nicht sagen. Eine mögliche Erklärung ist dieser (wohl typische frauliche) Ehrgeiz, den Mann ändern zu können. Konnte ich aber nicht. Wer hätte das gedacht.

Jahre später, wir wohnten bereits in der Schweiz (1997-2000), bekam ich einen Anruf von einer Frau, die sich als damalige Lebensgefährtin dieses Mannes ausgab. Sie hatte in seinen Unterlagen Briefe vom Jugendamt gefunden und unsere neue Adresse bzw. Telefonnummer ausfindig gemacht und wollte sich bei mir aussprechen. Ich war schlagartig um Jahre zurückversetzt, denn diese Frau beschrieb ihre Beziehung genauso, wie ich es damals tat, wenn ich mich bei meiner Mutter oder Freundin ausquatschte. Im Grunde war sie aber noch schlechter dran als ich, denn wenn er so viele Jahre nach unserer Trennung noch immer soff, waren die Aussichten, daß er damit aufhört, verschwindend gering. Es folgten noch 2 oder 3 weitere Telefonate mit dieser Frau, der ich zunächst meine Hilfe bzw. mein offenes Ohr anbot, weil ich aus eigener Erfahrung wußte, daß es wichtig ist, jemanden zum Reden zu haben. Aber danach brach ich den Kontakt ab, weil es mich doch sehr aufwühlte. Es tat mir weh, da eine Frau an meiner Stelle zu wissen, die genau das gleiche oder vielleicht sogar noch schlimmer das erlebt, was ich bereits durchgemacht hatte. Mittlerweile weiß ich, daß auch sie den Absprung geschafft hat.

Da die Unterhaltszahlungen über das Jugendamt abgewickelt werden und hin und wieder mal eine nicht pünktlich eintrifft, stehe ich in gutem Kontakt mit dem Amt und erfahre so immer mal wieder Kleinigkeiten, z.B. die Ausreden für seine verspäteten Zahlungen: "Bank hat da was verwechselt", "Zahlendreher in der Kontonummer drin gehabt" usw. Jaja.
Ich kenne den wahren Grund, ich habe ihn 5 Jahre lang miterlebt.

Zum 2. Geburtstag im Sommer nach unserem Auszug (das war der 24.März 1994, dieses Datum vergesse ich nicht) schickte er ihr eine Karte und ein kleines Päckchen. Mit Delphin-Ohrringen. Obwohl wir - als wir noch miteinander redeten - immer gesagt haben, daß wir ihr nie Ohrlöcher machen lassen würden, weil sie das selbst entscheiden soll, ob sie welche haben möchte. Sie hat noch immer keine. Die Ohrringe liegen in einer "Erinnerungskiste".

Danach kam nichts mehr.
Unter normalen Umständen könnte man sich ja noch sagen, er wolle sich nicht in das Leben des Kindes einmischen, es in Ruhe lassen, vielleicht auch, um es sich selbst nicht schwer zu machen.
Aber ich habe ihm, bevor wir in die Schweiz zogen, also 3 Jahre nach der Trennung, die Hand gereicht, habe ihm einen Brief geschrieben und den bevorstehenden Umzug nach weit weg angekündigt, ein paar Fotos vom Kind und ein gemaltes Bild beigelegt und angeboten, sich zu treffen, um Kontakt zur Tochter herzustellen und aufzubauen, weil es ja künftig schwierig werden würde, sich zu treffen und es sicher gut wäre, das nun im Vorfeld zu machen.
Keine Antwort.

Muß ich respektieren, klar.
Aber ich habe getan, was in meiner Macht stand und wollte auch eventuellen Vorwürfen seitens meiner Tochter vorbeugen, warum ich denn nicht Kontakt zu ihm aufgenommen habe - nun, habe ich ja. Erledigt.

Bis vor 2 Wochen, als sie mir sagte, daß sie ihn gerne kennenlernen möchte.
Darf sie, soll sie.
Sie kennt die ganze Geschichte (natürlich bis auf einige Details, die sie nicht wissen muß und die nicht mal hierher gehören), ich habe sie ihr immer altersgerecht (hoffe ich) erzählt.

Ich weiß, daß er sie liebt. Tief in sich drin.
Aber davon hat sie nichts.
Und er wird es ihr auch niemals geben können.
Einerseits bin ich froh darüber, andererseits tut es mir leid.
Tut sie mir leid.

Ich helfe ihr bei der Kontaktaufnahme so gut ich kann.
Aber ich habe Angst.
Nein, nicht vor ihm.
Sondern davor, daß er meine Tochter enttäuscht.

Weil er vielleicht nicht antworten wird.
Weil er sich vielleicht vor einem eventuellen Treffen "Mut" ansaufen muß.

Ich befürchte, diese Erfahrung werde ich ihr nicht ersparen können.
Aber ich bereite sie darauf vor, so gut ich kann.
Die Gratwanderung dabei ist nicht leicht - einerseits das Trennen von den Beziehungsproblemen, die das Kind nichts angehen, gleichzeitig aber die Alkoholabhängigkeit nicht verheimlichen, und noch dazu dem Kind nicht das Gefühl geben, es sei an der ganzen Misere schuld.

Ich kann es aber nicht bereuen, daß ich diesen Mann als ihren Vater ausgesucht habe.
Denn hätte ich das nicht, hätte ich nicht diese wunderbare Tochter.

(Mir fiel kein gescheiter Titel für diesen Beitrag ein, darum habe ich den Song von Phil Collins gewählt, der mich all die 5 Jahre mit diesem Mann begleitet hat. Seitdem kann ich dieses Lied nicht mehr ertragen/hören. Geht mir nicht mit allen Liedern so, aber mit diesem schon.)

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Ich. :-)
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