Mein Schloss.
Es steht in Gehrden zwischen Brakel und Höxter, am Rande des Eggegebirges. Erbaut wurde es Ende des 12. Jahrhunderts von Benediktinerinnen, 1810 wurde das Kloster zum Verkauf angeboten, weil die Staatskassen leer waren, und es wurde, nachdem es ein Graf aufkaufte, zum "Schloss" ernannt. 1965 wird es vom Erzbistum Paderborn erworben und zu einem "Familienerholungswerk" umfunktioniert.
1967 beginnt meine Mutter dort als Zimmermädchen zu arbeiten und wohnt auch dort, im November werde ich geboren, und wir wohnen nun beide dort. Tagsüber betreuen mich die beiden Damen, die als Verwalterinnen ihr ganzes Herzblut in das Schloss fließen lassen, und ich nenne sie "meine Mammi's". Wir lebten dort, bis ich ca. 5 Jahre alt war, und ich erinnere mich schrecklich gern an viele schöne Momente und am allerliebsten natürlich an das Schloss selbst:
Die Portal-Treppe. Sie befindet sich wie es sich für solche Treppen gehört im Eingangsbereich. Leider konnte man dort nie gescheit auf dem Geländer hinunterrutschen, weil es mit dicken Kugeln verziert ist. Aber ich wette, ich würde es noch heute schaffen, die Stufen hinaufzugehen, ohne auf die knarzenden Stellen zu treten. Das zu können war vor allem für die nächtlichen Raubzüge in die Vorratskammer wichtig!
Das ist der große Speisesaal. Früher nahmen die Kinder und Eltern, die dort ihre Ferien verbrachten, die Mahlzeiten getrennt ein - die Erwachsenen im oberen Bereich, die Kinder unterhalb. Durch die hohen Räume war da natürlich immer ein enormes Stimmengemurmel. Zum Frühstück durfte man immer wählen zwischen Haferflocken pur oder mit Rosinen & Nüssen, angerichtet in riesigen Schüsseln. Ich habe immer nur Haferflocken mit Nüssen ohne Milch gegessen - da ich zum "Inventar" gehörte, hatte ich freien Zugang zur Speisekammer der Großküche und stibitzte mir dort aus den ebenfalls riesigen Vorratsbehälter zwei Hosentaschen voll mit Nüssen. Und so manches Mal kam ich auch nicht an den Packungen mit den Schokokeksen vorbei...
Wie habe ich diese langen, endlosen Flure geliebt - sie sind wie die in Shining, wahrscheinlich mag ich den Film auch deswegen so. Allerdings bin ich nie mit dem Dreirad dort gefahren, sondern habe mit meinen "Mammi's" immer Fangen und Verstecken gespielt.
Im Laufe der Jahre hat sich natürlich viel verändert. Früher war der komplette Dachgiebel ausgebaut zu Großraumzimmern ähnlich einer Jugendherberge, mit vielen Etagenbetten (auf dem Bild der Homepage - zu sehen, wenn man da oben auf das eingefärbte/verlinkte "das Schloss" klickt - war je ein kleines Dachfenster eines der Zimmer), in denen dann die Kinder und Jugendlichen schliefen, natürlich nicht ohne Nachtwache der Gruppenleiter. Die Flure waren ausgelegt mit unter jedem Fußtritt quietschendem Linoleum, über das ich aber auch ohne Geräusche gehen konnte. Mittlerweile gibt es bei den Familienerholungsurlauben nicht mehr die strikte Trennung der Eltern und Kinder, und so wurden aus den Zimmern meiner Kindheit (ich habe es nie geschafft, in jedem Bett einmal zu schlafen) gemütliche, mit von meinen "Mammi's" liebevoll zusammengesammelten antiken Möbeln eingerichtete Familienzimmer.
Nachdem meine Mutter dann heiratete und wir von dort wegzogen, verbrachte ich noch viele Sommerferien dort und fuhr später alle paar Jahre in mein Zuhause, "mein" Schloss. Die Abstände wurden immer größer, der letzte Besuch liegt mittlerweile gut 7 Jahre zurück. Meine "Mammi's" leben noch beide im gleichen Ort, nachdem sie vor einigen Jahren den Posten der Verwalterinnen abgegeben haben. Ich weiß nicht, warum ich seit einigen Wochen so intensiv an sie und das Schloss denke, ich hoffe, es ist keine böse Vorahnung.
Auf jeden Fall wird es Zeit, dort wieder hinzufahren.
Ich freue mich schon.
Budenzauberin - 2005-09-28 15:45 - gezaubert in: geLEBT